Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und den Grünen hat der Bundestag das Angehörigen-Entlastungsgesetz verabschiedet. Ziel ist, Kinder von pflegebedürftigen Eltern finanziell zu entlasten.
Derzeit gibt es in Deutschland rund 3,5 Millionen Menschen, die pflegebedürftig sind. Ein Großteil hiervon erhält Sozialhilfeleistungen. Die Zahl steigt von Jahr zu Jahr weiter an. Allerdings erhält Sozialhilfe im Sinne des § 2 SGB XII nicht, wer sich selbst helfen kann. Dies gilt aus dem sogenannten Nachranggrundsatz der Sozialhilfe, sodass zunächst das eigene Einkommen bzw. das von unterhaltsverpflichteten Angehörigen beansprucht werden muss. Grundsätzlich prüft der Träger der Sozialhilfe vor einer Kostenübernahme, inwieweit der Pflegebedürftige Ansprüche, insbesondere gegen seine Kinder, auf Unterhalt geltend machen kann. Es schließt sich eine ausführliche Einkommens und Vermögensprüfung bei den Unterhaltsverpflichteten an.
Was sind die Ziele des Gesetzes?
Mit dem Gesetz sollen Kinder und Eltern, die gegenüber Leistungsbeziehern der Sozialhilfe (SGB XII) unterhaltsverpflichtet sind, entlastet werden. Hierzu soll die Unterhaltsheranziehung von Eltern und Kindern mit einem jeweiligen Jahresbruttoeinkommen bis einschließlich 100.000,00 € in der Sozialhilfe ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die sogenannte Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII erhalten, erst ab einer Höhe ab 100.000,00 € zurück gegriffen werden darf. Wird beispielsweise derzeit als Alleinstehender ein jährliches Brutto einkommen von 80.000,00 € erzielt, muss man gegenwärtig im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung für die Pflege seiner Eltern aufkommen und wird an den Kosten beteiligt. Da künftig auf das Einkommen von Kindern pflegebedürftiger Eltern erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000,00 € zurückgegriffen werden soll, wäre dann ein Unterhaltsrückgriff ausgeschlossen.
Der bereits genannte Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wird damit erheblich eingeschränkt. Das Gesetz setzt damit die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um, wonach auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern künftig erst ab einer Höhe von mehr als 100.000,00 € im Jahr zurückgegriffen werden darf. Gleichzeitig soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Belastungen von Angehörigen, gerade bei der Unterstützung von Pflegebedürftigen, in der Gesellschaft anerkannt werden und eine solidarische Entlastung erfolgt.
Dies bedeutet aber nicht, dass die Angehörigen derzeit unbegrenzt haften, denn bisher sieht das Unterhaltsrecht Schutzvorschriften vor, die beispielsweise den Kindern gegenüber ihren bedürftigen Eltern einen erhöhten Selbstbehalt gestatten. Dieser Selbstbehalt richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle und beträgt bei Alleinstehenden derzeit 1.800,00 €. Ferner sind von dem darüber hinausgehenden bereinigten Nettoeinkommen in der Regel nur 50 % für den Unterhalt einzusetzen. Vermögen wie zum Beispiel ein angemessenes Eigenheim, welches zur eigenen Alterssicherung dient, muss grundsätzlich nicht eingesetzt werden. Ferner darf auch jetzt schon der Unterhaltsverpflichtete bis zu 5 % seines Bruttoeinkommens neben der gesetzlichen Altersvorsorge als zusätzliche private Altersvorsorge anlegen.
Was ist von der 100.000,00 €-Grenze umfasst?
Von der 100.000,00 €-Grenze ist das gesamte Jahresbruttoeinkommen umfasst, sodass auch sonstige Einnahmen wie zum Beispiel aus Vermietung, Verpachtung etc. als Einkommen im Sinne der 100.000,00 €-Grenze zu berücksichtigen sind.
Wie geht es weiter?
Geplant ist, dass das Gesetz im kommenden Jahr in Kraft treten soll. Mit den Stimmen von CDU/ CSU, SPD und den Grünen hat der Bundestag das AngehörigenEntlastungsgesetz beschlossen. Das Gesetz muss nun noch den Bundesrat passieren. Die Bundesländer haben eine Evaluationsklausel eingefordert. Demnach soll nachträglich ermittelt werden, welche Mehrkosten den Kommunen bei der Hilfe zur Pflege tatsächlich entstanden sind. Ob die Mehrkosten dann vom Bund ausgeglichen werden, ist allerdings noch unklar.
Können bisher geleistete Unterhaltszahlungen zurückgefordert werden?
Das Gesetz soll zum 01.01.2020 in Kraft treten und gilt erst ab diesem Zeitpunkt. Eine rückwirkende Anwendung erfolgt nicht, sodass Rückforderungsansprüche für die Vergangenheit vor dem 01.01.2020 ausscheiden.
Rechtsanwalt Ulrich Birk,
RICHTERRECHTSANWÄLTE Hamburg
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